
Leseprobe aus:
Eine abenteuerliche Reise voller Gefahren
Band 1
Den ganzen Tag marschieren sie durch diese feuchte und unwirtliche Gegend, bis sie im letzten Abendlicht das Schloss erblicken. Sie müssen auch nicht lange suchen, bis sie im Unterholz das Boot finden, von dem der alte Mann gesprochen hat. Als sie etwas später die Insel erreichen, sehen sie das Schloss zum ersten Mal vor sich. Mächtig und zugleich erdrückend, umwuchert von schwarzem Gestrüpp, steht es vor ihnen. Nur ein kleiner Teil in der riesigen Schlossmauer ist noch nicht von dichtem Wurzelwerk umschlungen. Dieser Teil scheint das Eingangstor in sich zu beherbergen. Schnell sind sie sich einig, dass es das Beste sein würde, ohne zu zögern dort hineinzugehen, da ihnen sowieso früher oder später nichts anderes übrig bleibt. Jeder nimmt nur eine brennende Fackel und seine Waffen, damit sie im Falle eines unvorhergesehenen Angriffes möglichst beweglich sind. Staunend kommen sie gleich nach dem Eingangsbereich in einen großen Saal, an dessen Ende zwei geschwungene Treppen zu einer Art Balkon führen, unter dem es mehrere Räume gibt. Oben auf dem Balkon führt eine Galerie in einen weiteren Saal mit vielen Nischen an den Wänden und einem Kamin, eingefasst von vier Gargoyle. Unwirtlich und gespenstisch lodert ein riesiges Feuer im Kamin, lässt aber trotz seiner Wärme diesen Raum eisig und kalt erscheinen.
„Ah, mein liebes Kind bringt mir mein Geschenk“, hören sie Aspidis Stimme aus einer der Nischen kreischen.
„Gebt mir mein Geschenk, und ich gebe euch ewiges Leben“, fordert die Hexe erneut.
„Ich bin nicht euer liebes Kind und schon gar nicht gekommen, um euch ein Geschenk zu bringen. Ich bin gekommen, um mir zu holen, was einst mir gehörte“, ruft Kyra unerschrocken der Hexe entgegen. Hämisches lautes Lachen ertönt durch den Saal, während die Hexe in ihrer wahren Gestalt aus einer der Nischen tritt. Ein hässliches Monstrum, größer als der größte Mann den Kyra je gesehen hat, blutrot unterlaufene Augen, spitze Ohren und Fingernägel, die mehr den Krallen eines Drachen ähneln. Die Füße gleichen denen eines Pferdes.
Ihre Haare hängen in verfilzten Strähnen von dem kümmerlich bewachsenen Haupt. Das, was ihre Bekleidung sein soll, und nur spärlich den von Warzen übersäten Körper bedeckt gleicht dem Gewand des ärmsten Bettlers des Landes. Begleitet wird sie von Gormor in seiner Menschengestalt. Im Vergleich zu Aspidis wirkt dieser jetzt bieder und wenig Furcht einflößend. Die wenigen Vorhänge, die noch an den schon längst zerborstenen Fenstern des Saales hängen, beginnen zu flattern, geradeso, als ob ein Sturm durch das Schloss brausen würde. Die Gesichter der Statuen an den Nischen verzerren ihr steinernes Antlitz und beginnen schmerzverzerrt zu schreien. Das wenige Mobiliar, das im Saal steht, wird wie Laub im Herbstwind durch die Luft gewirbelt. Lautes schrilles Lachen übertönt alles. Staub wird aufgewirbelt und formt sich zu einem riesigen Trichter, der alles und jeden zu verschlingen droht. Die Äste an den Außenmauern beginnen zu leben, dringen durch die zerborstenen Fenster und greifen nach allem, was sich in den Weg stellt.
„Ihr törichten Menschen. Niemand wird es je gelingen, mir der mächtigen Hexe Aspidis das geringste Leid zuzufügen. Kein Schwert, kein Stahl, keine Klinge ist so hart, um mir gefährlich zu werden. Ihr, undankbares Kind, ihr sollt vom heutigen Tage an verstoßen und verflucht sein“, krächzt die Hexe und zeigt mit ihrem Finger auf Kyra. Pfeilschnell fegt sie daraufhin von einem Ende des Saales zum anderen, um mit ihren messerscharfen Krallen nach ihren Widersachern zu greifen, während Gormor direkt auf Kyra zustürzt. Dabei kann sie diesem Monster eine tiefe Wunde an seinem Arm beifügen, was dazu führt, dass sich dieser augenblicklich in eine der Nischen verkriecht. Es ist kein leichtes für Kyra und ihre Gefährten die herumwirbelnde Hexe mit ihren Pfeilen oder Schwertern zu treffen. Dennoch wagt Kyra einen Ausfall, stürmt auf die Hexe zu, weicht mit einer eleganten Rolle ihren Fängen aus, um sogleich eine tiefe Wunde an deren Bein zu hinterlassen. Ein markerschütternder Schrei durchfährt das alte Gemäuer, als die Hexe von Kyras Schwert getroffen wird. Böse wie ein wildes Ungeheuer lauert Aspidis in einer der Ecken, um im nächsten Augenblick wie ein Wirbelsturm auf Liliana loszurasen.
Im selben Moment kommt Malbor mit seinem Zweihänder so nahe an sie heran, dass er mit einem kräftigen Schlag die Hexe ins Wanken bringt. Es dauert nur einen kurzen Augenblick, bis sie sich fängt, da Malbors Schwert an ihrem Körper nur abschlittert und sonst keine Wunde hinterlässt. Fauchend kommt sie nun auf Kyra zu, packt sie um ihren Leib und schleudert sie in eine der Nischen. Benommen bleibt Kyra einen Moment liegen. Als sie aufsieht, steht ein zum Leben erweckter Gargoyle vor ihr, faucht sie an, um gleich darauf mit seinen spitzen Reißzähnen nach ihren Körper zu schnappen. Geistesgegenwärtig hält Kyra ihre Waffe vor ihren Körper. Durch den Schwung des Angriffes stürzt der Gargoyle in das Schwert, welches seinen steinernen Körper vom Bauch bis zum Rücken durchbohrt und zwischen seinen Schulterblättern wieder zum Vorschein kommt. Im selben Moment zerfällt dieses Monster zu Staub. Kurz darauf begibt sich Kyra erneut in den Kampf und kann mit einem gekonnten Schwerthieb einen zweiten Gargoyle enthaupten. Dieser zerfällt jedoch nicht zu Staub. Aus dem Hals des leblosen Körpers strömen tausende Spinnen, um den Boden des Saales zu bedecken. Mitten im Kampf bleibt die Hexe plötzlich stehen, dreht ihren Kopf zu Erin, der im Kampf die oberen Knöpfe ihrer Lederrüstung abgerissen sind, und somit einen Blick auf ihr Amulett freigegeben haben. Mit gieriger Miene und dem unbändigen Bestreben Erin zu fassen faucht die Hexe mit zornerfülltem Blick: „Mein Geschenk! Gebt mir, was mein ist, törichte Menschenfrau.“
Während dessen greift ein weiterer Gargoyle Malbor an, und fügt ihm eine tiefe Fleischwunde an seiner Schulter zu. Es gelingt ihm zwar noch den Gargoyle, mit der Wucht seines Zweihänders ein Bein abzuschlagen, doch dann muss er sich zurückziehen, um nur noch etwaige Angreifer von sich abzuwehren. Da die Hexe jetzt weiß, dass Erin das Amulett trägt, greift sie nur noch diese an. Das verschafft Kyra die Möglichkeit von der Seite an sie heranzukommen, um mit einem gewaltigen Schwerthieb der Hexe den Kopf abzuschlagen. Doch der kopflose Körper will nicht aufgeben und schlägt mit wilden Armbewegungen um sich.